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Stottern im Kindesalter: Was Eltern wissen sollten

Kind stottert plötzlich

Wenn dein Kind plötzlich anfängt zu stottern, kann das beunruhigend sein. Viele Eltern fragen sich: Habe ich etwas falsch gemacht? Wird es von selbst wieder weggehen? Was kann ich tun, um mein Kind zu unterstützen?

Dieser Artikel gibt Antworten und praktische Hilfestellungen.

Was ist Stottern?

Stottern ist eine Redeflussstörung, die durch unfreiwillige Unterbrechungen beim Sprechen gekennzeichnet ist. Diese können sich auf verschiedene Weise zeigen:​

Kernmerkmale des Stotterns:

  • Wiederholungen von Lauten, Silben oder Wörtern (z.B. „Ka-ka-ka-katze“)
  • Verlängerungen von Lauten (z.B. „Mmmmmama“)
  • Blockierungen, bei denen der Redefluss komplett stoppt/blockiert ist

Wichtig zu wissen: Stottern ist nicht dasselbe wie normale Sprechunflüssigkeiten, die bei vielen Kindern während der Sprachentwicklung auftreten. 

Unflüssigkeiten vs. echtes Stottern

Nicht jedes Stolpern beim Sprechen ist Stottern. Viele Kinder zeigen während ihrer Sprachentwicklung normale, frühkindliche Unflüssigkeiten:​

Frühkindliche Unflüssigkeiten:

  • Wiederholungen ganzer Wörter oder Phrasen („Ich ich ich möchte spielen”)
  • Füllwörter wie „ähm”
  • Satzabbrüche und Neuanfänge
  • Keine körperliche Anspannung sichtbar
  • Kein Vermeidungsverhalten
  • Das Kind zeigt keine Frustration

Anzeichen für echtes Stottern:

  • Wiederholungen von Lauten und Silben, oft mehrfach hintereinander
  • Hörbare Anspannung und Anstrengung beim Sprechen
  • Begleitbewegungen wie Grimassen oder Körperbewegungen
  • Frustration oder Vermeidungsverhalten (z. B. ersetzt das Kind Wörter mit anderen, bei denen es nicht stottern muss)

Wann beginnt Stottern typischerweise?

Meistens tritt Stottern zum ersten Mal zwischen 2 und 5 Jahren auf. Am häufigsten (ca. 95%) beginnt das Stottern vor dem 4. Geburtstag.

Die gute Nachricht: Spontanremission ist häufig

Hier kommt die wichtigste Information für besorgte Eltern: Die Spontanremissionsrate bei kindlichem Stottern ist sehr hoch. Das bedeutet: Bei den meisten Kindern verschwindet das Stottern wieder – entweder von selbst oder mit therapeutischer Unterstützung.

  • Etwa 75-80% der Kinder hören innerhalb von 12-24 Monaten wieder auf zu stottern​
  • Bei Kindern, die vor dem 3. Geburtstag zu stottern beginnen, ist die Wahrscheinlichkeit einer Remission höher​

Warum stottern manche Kinder? Die Ursachen

Lange wurde Stottern fälschlicherweise als psychisches Problem angesehen. Heute wissen wir: Stottern hat neurologische und genetische Ursachen.​

Wenn ein Familienmitglied stottert, ist das Risiko für Kinder erhöht. Bei über 70% der Kinder stottern oder stotterten andere Familienmitglieder ebenfalls. Studien konnten außerdem strukturelle Unterschiede in bestimmten Hirnregionen zeigen. Davon sind vor allem Bereiche betroffen, die für die Sprechplanung, motorische Kontrolle und die Automatisierung von Sprechsequenzen zuständig sind.

Wichtig für Eltern zu wissen: Das plötzliche Auftreten von Stottern hat nichts mit deinem Erziehungsverhalten zu tun. Du hast nichts falsch gemacht! Auch wenn gleichzeitig stressige oder belastende Ereignisse (Umzug, Trennung, Geburt eines Geschwisterkindes) stattfinden, sind diese nicht die Ursache des Stotterns.​

Risikofaktoren für anhaltendes Stottern

Während die meisten Kinder das Stottern überwinden, gibt es Faktoren, die ein Fortbestehen wahrscheinlicher machen:​

Höheres Risiko für bleibendes Stottern:

  • Geschlecht: Jungen haben ein höheres Risiko, dass das Stottern bleibt
  • Familiengeschichte: Wenn nahe Verwandte anhaltend stottern
  • Späterer Stotterbeginn (nach ca. 3,5 Jahren)
  • Dauer: Wenn das Stottern bereits länger als 6-12 Monate besteht​
  • Sichtbare Anstrengung: Erhöhte körperliche Anspannung beim Sprechen​

Wann solltest du professionelle Hilfe suchen?

Such dir in diesen Fällen sofort Beratung:

  • Dein Kind zeigt sichtbare Anstrengung oder Begleitbewegungen
  • Dein Kind zeigt Frustration oder Vermeidungsverhalten
  • Dein Kind ist 4 Jahre oder älter
  • Du oder dein Kind seid stark besorgt
  • Es liegt eine Familiengeschichte von anhaltendem Stottern vor

Wenn dein Kind keine Risikofaktoren zeigt, suche Hilfe, wenn das Stottern länger  6 Monate anhält.

Wichtig: Frühe Intervention ist entscheidend! Frühe Behandlung hat die besten Erfolgschancen und sorgt dafür, dass ungünstiges Begleitverhalten (z. B. Vermeidung) möglichst gar nicht erst aufgebaut wird. Eine Stotterberatung oder -therapie schadet nicht und verschlimmert das Stottern nicht – im Gegenteil.​

Was ihr als Eltern tun könnt: Praktische Tipps

1. Ihr habt nichts falsch gemacht!

Das Stottern hat nichts mit deinem Verhalten zu tun. Versuche, dich nicht schuldig zu fühlen. Diese Entlastung ist wichtig, damit du deinem Kind entspannt begegnen kannst.​

2. Das Stottern kann nicht kontrolliert werden

Gut gemeinte Ratschläge wie „Atme erstmal tief durch”, „Sprich langsam” oder „Denk nach, bevor du sprichst” sind kontraproduktiv. Das Kind kann das Stottern nicht willentlich steuern, und solche Anweisungen erzeugen nur zusätzlichen Druck.​

3. Stottern muss nicht tabuisiert werden

Du darfst das Stottern ansprechen! Wenn du merkst, dass ein Wort besonders schwierig war, kannst du das Thema aufgreifen:​

  • „Puh, das war anstrengend, oder?”
  • „Das Wort war schwierig, stimmt’s?”

Das zeigt deinem Kind, dass es das Stottern nicht verstecken muss. Verstecken führt langfristig zu ungünstigem Vermeidungsverhalten.​

4. Schaffe eine entspannte Gesprächsatmosphäre

Das Beste, was du in Stottermomenten tun kannst:​

  • Blickkontakt halten und bei deinem Kind bleiben
  • Geduldig zuhören – nicht wegsehen oder unterbrechen
  • Selbst langsam und entspannt sprechen – dein Kind orientiert sich an deinem Sprechtempo
  • Pausen machen – das zeigt, dass es keinen Zeitdruck gibt
  • Sätze nicht beenden – lass dein Kind ausreden
  • Auf den Inhalt fokussieren, nicht auf die Art des Sprechens
  • Gesprächsregel einführen – jeder darf in Ruhe zu Ende sprechen, ohne unterbrochen zu werden

5. Positive Kommunikationsereignisse statt Kritik

  • Lobe die Kommunikation deines Kindes: „Ich liebe es, deine Ideen zu hören”
  • Vermeide Kommentare wie „Versuch es nochmal” oder „Sprich langsamer”​

Das Wichtigste ist: Bleib bei deinem Kind, höre geduldig zu und gib ihm Zeit. Dein ruhiges, akzeptierendes Verhalten ist eine der wertvollsten Unterstützungen, die du deinem Kind geben kannst.

Was, wenn das Stottern bleibt?

Knapp 1% aller Erwachsenen stottern. Sollte das Stottern bei deinem Kind bleiben, ist der gesunde Umgang damit von Anfang an wichtig. In der Logopädie wirst du zum Umgang mit dem Stottern beraten. Dein Kind lernt dort, Ängste beim Sprechen abzubauen oder diese gar nicht erst zu entwickeln. Das freie Stottern wird geübt. Wenn gewünscht, werden auch Sprechtechniken erlernt, mit denen die Stottersymptomatik reduziert werden kann.

Wenn Du noch mehr über das Thema Stottern erfahren möchtest, findest du bei der Bundesvereinigung Stottern & Selbsthilfe e.V. weitere hilfreiche Informationen und Unterstützungsangebote.

Co-Autorin:

Julia Royko ist akademische Sprachtherapeutin (M.A.) und arbeitet seit 2019 mit Kindern. In ihrer Therapie verbindet sie evidenzbasierte Methoden mit einer spielbasierten und bindungsorientierten Herangehensweise – denn wirksame Förderung gelingt am besten, wenn Kinder sich sicher fühlen und Spaß am Entdecken haben.

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